Mail an Otto Grosskopf, Kaufmännischer Direktor des Zürcher Opernhauses

Betreff: urheberrechtsklage gegen opera calling
sehr geehrter herr grosskopf

ich habe heute ihre stellungnahme zu “opera calling” im 20minuten gelesen und muss gestehen, dass ich sehr enttäuscht war. denn bisher hatte ich vermutet, dass es sich dabei um eine raffinierte pr-aktion des opernhauses handeln könnte. schliesslich reicht das mediale echo der aktion beinahe an jenes auf herrn pereiras privatleben heran. anstatt die gelegenheit zu einem imagegewinn zu nutzen und den angefixten telefonhörerInnen den unvergleichlich sinnlicheren besuch der oper vor ort zu empfehlen, ziehen sie es offensichtlich vor, in sämtliche fettnäpfchen zu trampeln, die ihnen die aktion nahe legt, indem sie das vorurteil der exklusiven und elitären hochkultur verbissen bestätigen und mit den selben vergeblichen – und im falle einer urheberrechtsklage geradezu peinlichen – mitteln bekämpfen wollen, wie es die musikindustrie angesichts des filesharings tut (mit dem unterschied, dass filesharing die musikindustrie faktisch bedroht, während die computergenerierten telefonübertragungen werbung für ihr haus machen). und indem sie die von der aktion bloss behaupteten machtverhältnisse explizit geltend machen, haben sie der inszenierung von bitnik erst ihren segen erteilt. die künstler werden es ihnen danken. (oder sollte es sich bei ihren drohgebärden auch bloss um einen weiteren akt in einer beiderseits bestens koordinierten pr-aktion handeln? so im sinne der solidarität zwischen zwei künstlerische institutionen…)

herzliche grüsse – imre hofmann

Hier der 20minuten-Artikel vom 13. März 2007:

Künstler mit Wanzen – bei Anruf Oper

Wanzen im Opernhaus sorgen für Aufregung: Weil eine Künstlergruppe die Inszenierungen heimlich auf hunderte Zürcher Telefonanschlüsse überträgt, prüft das Kulturhaus rechtliche Schritte.

Während am Freitagabend Puccinis «La Bohème» am Opernhaus aufgeführt wurde, klingelte bei 120 Zürchern das Telefon. Eine weibliche Stimme mit italienischem Akzent verkündete: «Dies ist das autonome Telefon. In wenigen Sekunden werden Sie live ins Opernhaus verbunden.»
Was soll das? «Wir haben drei Wanzen im Saal versteckt», sagte Doma Smoljo von der Künstlergruppe. Per Funk werde die musikalische Darbietung an einen Computer übermittelt, der im Keller des Cabaret Voltaire im Niederdorf stehe. Ein Zufallsgenerator rufe dann Nummern aus dem Telefonbuch an und beschere den Auserwählten unverhofft einen vergnüglichen Opernabend.

Weniger amüsiert über die Live-Schaltungen aus dem eigenen Haus zeigt man sich an der Oper: «Wir fordern die Verantwortlichen auf, die Aktion sofort zu stoppen», sagt der Kaufmännische Direktor Otto Grosskopf. Man habe bereits einen Anwalt eingeschaltet und schrecke nötigenfalls nicht davor zurück, die Künstler wegen Urheberrechtsverletzung einzuklagen. Bei den Kulturschaffenden beisst Grosskopf aber auf Granit. Man denke nicht daran, die Aktion abzubrechen.

Derweil ist das Opernhaus-Personal auf Spionensuche geschickt worden: «Sollten die Wanzen nicht bald entfernt werden, stellen wir den Verantwortlichen die Suche in Rechnung.»

Ein Kommentar zu “Mail an Otto Grosskopf, Kaufmännischer Direktor des Zürcher Opernhauses”

  1. imre :

    Ich erlaube mir hier, seine Erwiderung ohne Rücksprache (obwohl er das sicher gewünscht hätte) zu veröffentlichen:

    Betreff: AW: urheberrechtsklage gegen opera calling

    Sehr geehrte Frau Hofmann
    Besten Dank für Ihr Schreiben. Wir hätten es begrüsst, wenn die Initianten der Aktion mit uns gesprochen und die Erlaubnis bei den betroffenen Künstlern eingeholt hätten. Eigentlich könnten Sie das ja immer noch nachholen, wenn Sie die Aktion weiterführen wollen und alle Betroffenen einverstanden sind. Als Veranstalter sind wir jedenfalls verpflichtet, die verwandten Schutzrechte der Künstler zu schützen.

    Freundliche Grüsse
    Otto Grosskopf

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